Das aktuelle EHI-Ranking der 100 stärksten Onlineshops in Deutschland zeigt zunächst, dass beide Unternehmen keine absoluten Riesen im e-Commerce sind. Karstadt schafft es mit einem Umsatz von 59,8 Millionen Euro auf Platz 96 und Kaufhof mit 128 Millionen Euro Internetumsatz auf Platz 49. Rein aus der Historie müssten die Unternehmen eher in Richtung Otto gehen und Amazon echte Schwierigkeiten machen… nun ja – das ist im Moment nicht so.
Der neue Gesamtchef Stephan Fanderl sieht die Ausrichtung ziemlich klar bei den lokalen Bedürfnissen und will die Kaufhäuser darauf ausrichten. Hinsichtlich e-Commerce sieht zumindest Kaufhof die Chance der schnellen Lieferung aus der zentralen Lage. Viele Aussagen klingen nach Vision – eine Verknüpfung von e-Commerce Aktivitäten und stationärem Handel wird es wohl künftig in jedem Fall geben.
Wie gut die Shops heute schon sind haben wir uns angesehen.
Karstadt – das typische Warenhaus Problem
Mit 980 Pixel Breite geht Karstadt mit einem untypisch schmalen Shop an den Start. Der ist zwar mobilefähig aber nicht responsiv. So wirkt der Shop auf großen Monitoren klein und verloren. Viel Platz hat man sich dann aber für den Header genommen. Das Logo wirkt darin fast etwas klobig und die anderen Elemente unnatürlich groß. Die Navigation führt den User zielstrebig in das sehr breite Sortiment – hier findet der User in jedem Fall die richtige „Abteilung“.
Unter „Herren“ entsteht dann genau das Feeling, das es auch in der Filiale gibt. Eine bunte Mischung aus Becks Feeling-Typen mit Bier, ein paar Einstiege in Produktgruppen und Produktempfehlungen, die passen könnten: Poloshirt, Waschmaschine und Matratze. Spätestens hier wird klar, dass viel mit Automatismus oder zumindest statischen Elementen gearbeitet wird. Richtig spannend ist diese Seite nicht, wirklich intelligent auch nicht.
Eine Ebene tiefer finden wir 2.235 Hemden zur Auswahl. Die Auswahl ist enorm, die Markenvielfalt breit und attraktiv, viele Streichpreise und Aktionen wecken Interesse. Meine gewählte Auswahl L und Slim Fit reduziert die schöne Vielfalt auf nur noch 5 Hemden – 3 davon sind ausverkauft. Für die gleiche Auswahl gibt es bei Zalando noch mehr als 500 Hemden, bei Aboutyou ganz konkret 726 Produkte. Das alte Kaufhausproblem wird deutlich: breites Sortiment, aber in den einzelnen Segmenten zu wenig Tiefe.
Die angekündigte Vernetzung von Filiale und Shop gibt es bereits und sie funktioniert auch. Das von mir ausgewählte Hemd ist in den nahen Filialen verfügbar und auch eine Reservierung ist möglich. Die elendige Suche im Karstadt könnte damit ein Ende haben – ich hole meine Reservierung am nächsten Samstag einfach ab… theoretisch zumindest.
Im Checkout hat Karstadt alles richtig gemacht. Alles übersichtlich, transparent und Zahlung per PayPal und sogar Amazon Payment ist möglich. Usability 100%. Die Karstadt Kundenkarte gibt mir beim ersten Kauf 10% und verspricht anschließend exklusive Vorteile. Ja warum nicht – die Deutschen lieben Treuekarten.
Dass mir im Checkout immer noch als Empfehlung eine Waschmaschine gezeigt wird, macht zumindest deutlich, dass die Personalisierungssoftware mich nicht kennen lernen will.
Nach dem Prüfverfahren des Shop Usability Award 2018 bekommt Karstadt 100% für Zuverlässigkeit, 67% für Effizienz, 83% bei Durchschaubarkeit und 62% bei Originalität. Mit der Gesamtpunktzahl von 1417,5 hätte es Karstadt in keiner Kategorie unter die Nominierten gebracht. So richtig gepackt hat der Shop dann auch an keiner Stelle.
Kaufhof – erstaunlich cool
Galeria Kaufhof klingt irgendwie erfrischender und sieht dann auch gleich erfrischender aus. Der Shop lädt großflächiger und responsiv. Die einzelnen Teaser auf der Startseite wirken allerdings etwas lieblos: 20% auf Tracht, 15% auf Sportartikel und dann „unsere Highlights“ mit einer Auswahl, die man mit etwas Unverständnis hinnehmen muss.
Die Navigation ist enorm. 17 Hauptkategorien und unendlich viele Untergruppen können direkt angesteuert werden. Meine Suche nach Herren-Hemden führt dennoch schnell und effizient zu einer Liste, die in jedem Fall deutlich besser ist, als die Liste von Karstadt. Die modernere Typografie, die deutlich größeren Bilder und das 4er Raster sind einfach übersichtlicher. Es gibt wesentlich mehr Attribute zum Filtern, so dass man schnell und gut beraten wird. In jeder sinnvollen Auswahl gibt es ausreichend viele Produkte. Tatsächlich würde ich hier kaufen können.
Auch bei Kaufhof kann ich die stationäre Verfügbarkeit prüfen. Die Reservierung erscheint etwas besser und glaubwürdiger. Es gibt nämliche eine eindeutige Bestätigung, dass mein Artikel nun zwei Tage reserviert in der Filiale liegt – bei Karstadt war die Reservierung etwas abstrakter.
Je länger ich surfe, desto besser gefällt mir die Seite. Die Detailseite ist aufgeräumt, die Navigation gut verständlich, die Geschwindigkeit des Shops hervorragend. Der Checkout clever gestaltet und die Zahlung per Rechnung, Lastschrift, PayPal, SOFORT und weitere lassen keine Wünsche offen.
Kaufhof bekommt nach Prüfkatalog des Shop Usability Award 100% bei Effizienz, Zuverlässigkeit und Durchschaubarkeit. Lediglich die Originalität ist kaum besser als bei Karstadt. Es muss doch eine Möglichkeit geben, dass Waren kreativer angeboten und Aktionen liebevoller gestaltet werden?
Sollte sich der neue Warenhauskonzern für einen Shop entscheiden müssen, würde ich Kaufhof wählen und an dieser Stelle weitermachen.
Shop Rating
Für beide Shops haben wir ein Shop Rating erstellt. Das Rating orientiert sich am Prüfkatalog des Shop Usability Award und liefert einen guten Gradmesser für den Reifegrad eines Onlineshops innerhalb der Benchmark von mehr als 1.000 Shops.